Dieses Album wäre beinahe schon zehn Jahre früher erschienen. Wenn die FEHLFARBEN nicht 1984 bei den Aufnahmesessions das Handtuch geschmissen hätten. Jetzt hat Thomas Schwebel, Gitarrist und zeitweiliger Sänger der FEHLFARBEN, die Bänder aus dem Archiv ausgegraben, einige Songs mehr, einige weniger überarbeitet, hier etwas hinzugefügt, dort einen neuen Text geschrieben. Jetzt tritt er den Beweis an, dass FEHLFARBEN und das, wofür sie standen, heute noch genauso musikalisch aktuell und textlich am Puls der Zeit sind wie im Jahr 1980.

In genau diesem Jahr erschien ihr erstes Album "Monarchie und Alltag", das wie kaum ein anderer Tonträger das Symbol für die damalige Aufbruchstimmung der deutschen Musikszene darstellt. Songs wie "Es geht voran" oder "Paul ist tot" dürfen wir wohl getrost zu den Meilensteinen der deutschen Musikgeschichte zählen. Thomas Schwebel und Peter Hein hatten vorher schon mit der Punk-Legende "Mittagspause" Zeichen gesetzt. Diese Erfahrung nutzten sie, um mit FEHLFARBEN eine Verbindung von populärer Musik und Intelligenz zu schaffen, fernab von Bravo-Pop und Wohnzimmer-Mitklatschtorgien eines Dieter-Thomas Heck. Ähnliches versuchten andere Bands ebenfalls. Das Ganze wurde schnell mit dem Etikett "neue deutsche Welle" (NDW) versehen. Zum Schimpfwort und Synonym für schlechtestes Schlager-Blablabla (oder genauer: Da Da Da!) mutierte dieser Begriff erst, als die Plattenindustrie sich der Sache annahm, um zwar kurzfristig Profit daraus zu schlagen, aber auch die einmalige Chance zunichte zu machen, so etwas wie eine eigenständige deutsche Populärmusik mit Qualitätsansprüchen entstehen zu lassen und zu verbreiten. Als dann mit Hilfe von Trio, Fräulein Menke, Markus, UKW und wie sie alle hieáen die deutsche Popmusik auf einem Niveau angelangt war, von dem sich sogar achtjährige Sonderschulbesucher unterfordert fühlten, zog das untergehende Schiff NDW auch Bands wie FEHLFARBEN mit in den Strudel, obwohl sie einen verzweifelten Kampf führten, sich von derartigen Vertretern dieses Genres abzusetzen. Die Aufnahmen für das vierte Album blieben unvollendet und wanderten erst einmal ins Archiv.

1991 wurde, wieder mit Peter Hein, der die Band nach der ersten Platte verlassen hatte, dem Projekt FEHLFARBEN neues Leben eingehaucht. Es folgte die "Die Platte des himmlischen Friedens" samt gleichnamiger Tour und dem passenden Live-Album. Auf dieser Tour wurden sie des öfteren auf das unveröffentlichte "vierte Album" angesprochen, was Thomas Schwebel veranlasste, die alten Bänder der 84er Session auf ihre Verwertbarkeit abzuhören. Einige Songs konnten fast völlig unbearbeitet übernommen werden, während er bei anderen mit Hilfe seines Bruders, Martin, und einiger Gastmusiker ziemlich herumfeilen musste, um sie zu komplettieren und ihnen ein frisches Gewand zu verschaffen.

Und was ist nun neu, und was "nur" entstaubt? - Verraten sei nur, dass "Der Liebe wegen" und "Doktor, Doktor" Neueinspielungen sind und "Glut und Asche" (sozusagen als Bonustrack) 1985 als Soundtrack für den Film "Tilt" diente. Verraten sei ausserdem, daá der Text für "Sag das das nicht wahr ist" von Thomas unter dem Eindruck der Ereignisse von Solingen (seiner Geburtsstadt) geschrieben wurde. Die Spekulation, welcher Song wieviel bearbeitet wurde, überlassen wir dann den sachkundigen Kollegen von der Musikpresse und Euch. Wir sind gespannt! Da dieses Projekt 1984 von der Band begonnen und zehn Jahre später von Thomas Schwebel fertiggestellt wurde, firmieren beide auch als "Täter". Original-Ton Thomas Schwebel: "Auch um Missverständnisse beim Käufer zu vermeiden. Das ist eben kein reines FEHLFARBEN-Album!" Hätte es aber durchaus sein können! - meinen wir.