MESSER BANZANI - Interview Wie seht Ihr Euer neues Album "We bring the Sun"? Beim ersten Hören läßt sich vielleicht sagen, daß Ihr Euch im Vergleich zu Euren früheren Sachen weiter vom Ska weg hin zum Reggae bewegt habt. MB: Wir sind eindeutig mehr zum Reggae gegangen. Was wir allerdings auch schon seit der ersten Platte beibehalten haben ist, daß wir verschiedene Musikstile miteinander vermixen. Im Vordergrund steht der Reggae, den wir aber mit anderen Musikstilen wie Soul und Raggamuffin verbinden. Für uns ist klar, daá wir nicht einfach Kopie sein können von irgendwelchen jamaikanischen Vorbildern. Natürlich sind die Jamaikaner auch unsere Vorbilder, aber da wir in Deutschland leben, versuchen wir eine eigene Variante zu finden. Es ist uns wichtig einen eigenen Weg zu gehen, denn authentischer - was reinen Reggae angeht - sind die drüben allemal. Wir finden es aber auch gerade gut, daß für uns als Europäer andere musikalische Gesichtspunkte wirken, aus denen wir eben unsere eigene Musik machen. Wo seht Ihr im einzelnen die Unterschiede zu den jamaikanischen Vorbildern? MB: Wir verarbeiten erstmal unsere eigenen Erfahrungen, auch von dem, was wir an Musik hören. Wir sind deshalb nicht so sehr auf eine Richtung, einen speziellen Stil festgelegt. Bei uns findet man die verschiedensten Sachen: Ragga, Lovers Rock oder auch Soul-Elemente. Ich glaube, in dieser Kombination sind wir schon ziemlich einzigartig. So etwas ist in dieser Form bei den jamaikanischen Musikern einfach nicht üblich, sie leben halt in einem anderen Kulturkreis. MESSER BANZANI ist ein Trio, aber Ihr arbeitet mit vielen anderen Musikern zusammen, auch internationalen. MB: Im Kern sind wir beide Kousins, Lanni und Tommi Topp, ergänzt durch Mike Stolle, der produziert. Live gehen wir mit einer achtköpfigen Band auf Tour, mit Bläsern, Percussions und Sängerin. Auf dem neuen Album haben jetzt "The Ras Brass" die Bläserparts gemacht. Die haben schon mit allen Größen des Reggae gespielt, also mit Bob Marley zum Beispiel, Black Uhuru und Gregory Isaacs. Die Sessions mit ihnen waren ein echtes Erlebnis. Was bei Euren Texten auffällt ist, daá sie zum Teil Sachen wie Rassismus oder auch Afrocentricity thematisieren. Inwieweit reflektieren solche Texte eigene Erfahrungen? Oder ergreift Ihr anstelle anderer das Wort? MB: Eine Weile lang, besonders kurz nach der Wende, war der Rassismus hier in Leipzig besonders gefährlich. Man konnte abends nicht mehr auf die Straße gehen oder mit der Straßenbahn fahren. Und in diesem düsteren Text von "Black Night" sieht sich der Sprecher als eine Art Ritter, der gegen Rassismus antritt. Die meisten anderen Texte sind aber anders angelegt. Die sind ironischer oder auch einfache Liebeslieder. Aber ich denke schon, daß man bei unserer Musik und unseren Texten den Kopf nicht einfach an der Garderobe abgeben muß. Es geht hier zum einen um ein Lebensgefühl, zum anderen wollen wir aber auch zum Nachdenken anregen. Zur Geschichte der Band. Auf dem Cover der ersten Platte kann man Ska-Elemente finden, wie etwa ein schwarz-weiß kariertes Tuch. Kommt Ihr aus der Ska-Szene und gab es soetwas überhaupt in der DDR? MB: Als wir anfingen, Musik zu machen, waren wir einfach Fans von Bands wie "Madness", "Selectors" und den "Specials" - halt die Sachen, die man zu dieser Zeit in der DDR hören konnte. Daß um diese Musik im Westen eine Szene existiert, wußten wir gar nicht. Erst nach der Wende, als wir auch in West-Deutschland spielten, wurden wir von den Sharp-Skins ein bißchen vereinnahmt, obwohl wir schon damals andere Sachen mit einbezogen haben, z.B. Scratching und Reggae. Das waren dann immer dieselben zwei-, dreihundert Leute, die zu den Konzerten kamen. Im Osten haben wir immer für alle Leute gespielt, halt Musik, zu der man tanzen soll. Das Publikum war gemischt, vom Hippie bis zum Punk und auch ganz "normale" Leute. Heute ist unser Publikum auch im Westen viel unterschiedlicher und nicht mehr auf eine Szene fixiert. Und wie ist das Verhältnis Ost - West in der Publikumsresonanz? MB: Anfangs mit der ersten Platte 199o war es noch so, daß wir etwa 10% im Westen und 90% im Osten verkauft haben. Das hat sich aber schon mit dem letzten Album auf Hälfte-Hälfte eingependelt. Die großen Unterschiede gibt es nicht mehr. Nochmal zurück zu Euren Anfängen. Für einen ahnungslosen Westler ist das interessant: Wie wird man zu DDR-Zeiten Ska-/Reggae-Fan in Leipzig? Es gibt ja diesen Spruch "London is a lonely town, if you`re the only surf-boy around". Wart auch Ihr einsam? MB: Wir standen ziemlich allein auf weiter Flur. Wir haben in den Ferien immer zusammen im Kinderzimmer Musik gemacht und irgendwann sind uns die Platten von "Madness" und "Bob Marley" in die Hände gefallen. Das war die Musik, die uns immer am meisten angesprochen hat und die wir dann versucht haben, zu spielen. Man konnte ja im Osten nicht so Fan sein; man konnte nicht so in den Plattenladen gehen und sich die Sachen kaufen. Allmählich haben wir dann auf Parties gespielt, später Konzerte gemacht - auch um den Leuten das näher zu bringen. Wart Ihr also so etwas wie Propheten? Wolltet Ihr Euch abgrenzen zu anderen Musikstilen und Szenen? MB: Das begann, als wir anfingen, richtig zu spielen und eine richtige Band hatten. Wir haben uns ein halbes Jahr vor der Wende gegründet. In den achtziger Jahren war hier im Osten eine Welle am rollen, die hieß "die anderen Bands". Das war vor allem dieses düstere Gitarren-Zeug Marke "Sisters of Mercy" und "Mission", mit schwarzen Klamotten und der entsprechenden Einstellung. Wir fanden es nicht so schlimm oder frustierend, wir wollten Musik machen, die Spaß macht und zu der man tanzen kann. Von solchen düsteren Sachen haben wir uns schon ein wenig abgesetzt. Wir waren weit und breit die einzige Band, die auch lustig war, die Spaß vermitteln wollte - mal abgesehen von den ganzen "staatlichen" Bands und Tanzkapellen. Seid Ihr noch mit dem System der staatlichen Gremien für Unterhaltungskultur in Berührung gekommen? MB: Das Einstufungsverfahren haben wir noch mitgemacht. Das brauchte man, um überhaupt Verträge als Musiker abschließen zu können. Aber zur Endzeit der DDR war das alles schon liberaler. Man kann von uns nicht sagen, daß wir da hätten kämpfen müssen, obwohl die Profi-Lizenz hätten wir nie bekommen und hätten sie sicherlich auch nie beantragt. Außerdem hätte man einen Abschluß auf der Musikschule machen müssen. Und was seit Ihr heute? MB: Profis - aber ohne Abschluß. Wolfgang Finke/Community